Dienstag, 16. August 2022
Nach einer ruhigen Nacht fahre ich ausgeschlafen zu meinem nächsten Termin zum Autohaus Rotbauer nach Hönebach.
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Unsere Besprechung wird längere Zeit in Anspruch nehmen, da ich unangemeldet vor der Werkstatt parke; deswegen vereinbaren wir einen neuen Termin am Donnerstag um 14 Uhr. Um in der Nähe zu bleiben fahre ich kurzentschlossen nach Rotenburg auf einen Stellplatz, der direkt an der Fulda mit einem wunderschönen Platz förmlich auf mich gewartet hatte.
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Mittlerweile habe ich einen Nachbarn aus Bayreuth bekommen, dessen Frau auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Keile, Strom, das Übliche richte ich ein und genieße vor dem Wohnmobil die herrlich Ruhe und vertiefe mich in ein Buch.
 Vielleicht kommt jemand vorbei und möchte Platz nehmen, deswegen habe ich den zweiten Campingstuhl am Tisch aufgestellt. Am Nachmittag radel ich in die schöne Altstadt von Rotenburg an der Fulda.
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Früher wollte ich auch immer stolzer Besitzer eines Fachwerkhauses sein; aber es hat sich nie ergeben. Vielleicht war dies auch nur eine dumme Träumerei, da ich handwerklich eher eine Niete bin. Um so glücklicher bin ich heute über mein bzw. unser Wohnmobil, was uns sehr viel mehr Freiheiten schenkt. An einem Fachwerkhaus ist eh immer etwas rumzuwurschteln. Trotzdem schaue ich mir gerne diese verwinkelten mit Holzbalken zusammengehaltenen Häuser an und kann mich, ohne sie zu besitzen daran erfreuen. Man kann eben nicht alles haben; will ich auch nicht.
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Als ich vor dem Rotenburger Schloss das Schild sehe, denke ich an Timmy. Wahrscheinlich ist hier Hundeverbot, weil viele Hundebesitzer die Hinterlassenschaften ihrer Vierbeiner nicht aufheben und entsorgen. Und schon müssen wieder alle unter dem schlechten Benehmen anderer leiden.
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Das Schloss Rotenburg ließ Landgraf Ludwig II. von Niederhessen erbauen. Ein großer Stadtbrand in der Altstadt zerstörte schon 1478 auch das Schloss, so dass in der Folge ein Schloss aus Stein gebaut wurde. Es wurde danach ein beliebter Sommersitz der Landgrafen und zeitweise landgräflicher Witwenwohnsitz.
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Im Jahre 1932 kaufte die Stadt Rotenburg das Schloss und die dazugehörigen Nebengebäude. In einigen Räumen war von 1933 bis 1945 die Truppenführerschule des Reichsarbeitsdienstes untergebracht. Ab 1945 war es Notunterkunft für Flüchtlingsfamilien, bis es 1953 in staatlichen Besitz überging. In der gesamten Schlossanlage befindet sich seitdem die Landesfinanzschule des Landes Hessen. Neben den ehemaligen Wirtschaftsgebäuden (z. B. Marstall) vor dem Schloss besteht die Schlossanlage heute aus drei Flügeln. Der Innenhof öffnet sich nach Osten hin zum Schlosspark. Der Marstall ist heute Sitz der Aus- und Fortbildungsstätte von Hessen Mobil – Straßen- und Verkehrsmanagement.
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Ein kurzer Besuch in der Evangelischen Jakobi-Kirche. Eigentlich wollte ich den Turm besteigen, jedoch ich war der Einzige in dem Gotteshaus und es ergab sich keine Möglichkeit der Besichtigung.
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Das Kreuz erinnert mich immer wieder, was Jesus für uns und für mich getan hat. Demütig halte ich einen kurzen Moment inne.
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Und das ist Charlie. Ein stattlicher Boxer, der schon einige Jahre auf dem Buckel hat. Einen großen Mann mit einer gelben Sizilienmütze auf dem Kopf hat das Schlappohr sicher noch nicht zu Gesicht bekommen.
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Als ein Bekannter von Frauchen um die Ecke kommt, fängt das Tier laut an zu bellen und ich beschließe schnell, mich von dem Geschehen zu entfernen.
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An der Stadtmauer entlang radele ich weiter, die schlussendlich in eine Sackgasse mündet. Ein schmaler Weg, der nur für Fußgänger vorgesehen ist, hält mich nicht davon ab vom Rad zu steigen und mein Bike zu schieben. Ich komme mir vor wie in Erice in Sizilien, denn der Weg ist wirklich sehr eng. Dann sehe ich dieses Schild auf der linken Seite.
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Als ich mein Rad an die Mauer lehne, kommt ein älterer Mann aus der schmalen Tür, um einen Gegenstand zu säubern. Ich frage ihn freundlich, ob er tatsächlich der Schumacher sei, dessen Schild am Eingang die Hauswand ziert. Mit einem verschmitzten Lächeln bejate er mein Frage. Bereitwillig gab er mir zu verstehen, auch wenn ich keine Schuhe zu reparieren hätte, könne ich gerne eintreten. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und trat in den nach Bier riechenden kleinen Raum ein.
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Dort saßen zwei Männer, die sich bei lautem Geschwätz über Fußball an einer Flasche festhielten. Herr Hessler, der Schuhmacher verriet mir, dass er das Handwerk 1980 von seinem Vater übernommen hätte, der 1958 seinen Meister in dem mittlerweile ausgestorbenen Handwerk gemacht hatte. Er, Herr Hessler junior sei eigentlich Glaser gewesen, aber sein Vater habe ihm die Werkstatt überschrieben mit dem Hinweis, den Glaserberuf aufzugeben und in ein sicheres Unternehmen einzusteigen.
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Stolz berichtet mir der Schuster, dass diese Schuhe darauf warten, abgeholt zu werden. Tatsächlich kommt es vor, dass Rotenburger Bürger von Zeit zu Zeit seine Dienste in Anspruch nehmen. "Einmal die Woche", meint er mit einer zittrigen Stimme. Wenn nicht seine Kumpels zum Biertrinken kämen, hätte er den Laden schon lange dicht gemacht. Außerdem sei er jetzt in Rente und betreibe sein Geschäft nur noch als Zeitvertreib.
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Nur für mein letztes Bild stellt sich der stolzer Schuster mit seinen Schuhen nochmal in Pose; ich bedanke mich und verabschiede mich freundlich. Als ich wieder draußen in der engen Gasse stehe, ruft mir einer der lustigen und durstigen Zeitgenossen hinterher: "Der Hessler war auch schon als letzter Schuster von Rotenburg in der Zeitung gewesen". Kurz denke ich darüber nach, wie wir früher als Kinder immer zum Schuster geschickt wurden. Bei unserem Siebenpersonenhaushalt hatte der Mann immer gut zu tun. Heute leben wir in einer Wegwerfgesellschaft und keiner braucht mehr einen Schuster. Bei allen Errungenschaften dieser Zeit macht mich diese Entwicklung doch ziemlich traurig und nachdenklich. Wir sollten doch mehr nachhaltig leben. Ich schwinge mich auf mein Rad und fahre die enge Gasse bis zur Hauptstraße weiter.
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Sicher haben die hunderten von Schlösser einmal am Geländer gehangen. Diese Lösung dient der Standhaftigkeit der Brücke und ist die besser Lösung.
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Sogar Tomaten wachsen am Straßenrand und zieren die Fassaden der hübsch zurechtgemachten Fachwerkhäuser.
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Nach dieser erlebnisreichen Tour fahre ich nochmals über die Fußgängerbrücke und radel meinem Wohnmobil entgegen, welches bestimmt schon sehnsüchtig auf mich wartet.
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