Zwischen Ost- und Westdeutschland
Freitag, 30. August 2024
Am Mittwochmittag unternehme ich eine Radtour entlang der Elbe. |
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Die Temperaturen sollen laut Wettervorhersage auf 35 Grad steigen. Der Radweg an dem Fluss entlang ist gut ausgebaut, die Sonne scheint vom blauen Himmel und ich freue mich über den schönen Tag. |
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Meine Gedanken sind an diesem Tag bei meiner Frau Rosi, mit der ich jeden Abend ein längeres Telefonat führe. |
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Hier hat es sicher schon lange nicht mehr geregnet. Das Sonnenblumenfeld ist total ausgetrocknet und das Maisfeld auf der anderen Seite des Weges sieht noch schlechter aus. |
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Manchmal wundere ich mich darüber, dass wir in Deutschland bisher immer genug zu Essen haben. In anderen Ländern der Welt ist die Situation eine völlig andere. Dankbarkeit wäre oftmals für die deutschen Bewohner angemessen. Aber wer schaut schon über den Tellerrand hinaus? |
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Nach 39,8 Kilometer tut mir, trotz Fahrradhose ganz schön der Hintern weh. Für manch' anderen Radfahrern ist das ein Witz, aber ich bin nun mal nicht mehr der Jüngste. |
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Am Morgen danach gibt es ein kleines Frühstück mit Minigugelhupf und ein Rooibos-Vanille Tee. Gut hat's geschmeckt. Am Abend komme ich nach 120 Kilometer Landstraße in Schönebeck an. Mein heutiger Übernachtungsplatz am Tierpark ist zunächst ruhig. Es ist Waschtag; in der Sonne sind meine T-Shirts in 2 Stunden getrocknet. |
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Auch am Abend sind es immer noch 24 Grad. Ganz alleine stehe ich auf dem Parkplatz, der am Eingang für seine Besucher diesen Platz bereithält. |
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Um 23 Uhr kommt ein weiteres Wohnmobil. Die Camper schlagen die Türen auf und zu. Es kümmert sie nicht, dass ich zu diesem Zeitpunkt schon eingeschlafen bin. Immer wieder gibt es Menschen, die nur an sich denken. Schon am Morgen gegen 6 Uhr höre ich die LKW's auf der nahegelegenen Straße und schon ist für mich die kurze Nacht vorbei. Nach dem Frühstück fahre ich weiter nach Hötensleben. Die Hitze ist vorbei, das Thermometer zeigt nur noch 18 Grad an. Fast könnte ich frieren. Diesen Wetterumschwung kann ich fast nicht ertragen. Die Gemeinde Hötensleben liegt im Herzen Deutschlands, am westlichsten Rand des Landkreises Börde (Sachsen-Anhalt), unmittelbar an der Grenze zu Niedersachsen. Das Grenzdenkmal Hötensleben dokumentiert den Zustand der bis 1989 systematisch ausgebauten DDR-Grenzsperranlagen vor Ortschaften, die direkt an der innerdeutschen Grenze lagen. Der auf einer Länge von 350 Metern erhaltene „Schutzstreifen“ aus Mauern, Metallgitterzäunen, Signaldrähten, Minenfeldern und Wachtürmen steht seit 1990 unter Denkmalschutz. |
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Die historische Anlage gilt als das weitaus am besten und umfassendste erhaltenen Zeugnis der DDR-Grenzbefestigung an der "Staatsgrenze West". Obwohl fast alle Grenzzäune und -mauern nach der Friedlichen Revolution 1989 und der deutschen Einheit 1990 abgerissen wurden, gelang es engagierten Bürgern aus dem Ort Hötensleben, den heutigen Denkmalbereich zu bewahren. Seit dem Jahr 2004 gehört das Grenzdenkmal Hötensleben zur Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn. Auf dem frei zugänglichen Gelände können die nahezu unüberwindlich gemachten Sperranlagen besichtigt werden, mit denen die DDR-Staatsführung sich vom Westen abschottete, die Menschen im eigenen Land einsperrte und ihnen den Zugang zum „feindlichen Ausland“ verwehrte. Auch wenn wir mittlerweile eine Wohnung in Thüringen haben, so machen mich diese Stationen immer sehr nachdenklich, ein stückweit traurig, aber auch dankbar, dass die Wiedervereinigung 1989 ohne Blutvergießen gelungen ist. Auf vielen Tafeln entlang des ehemaligen Grenzzaunes haben Zeitzeugen ihre Aussagen dokumentiert. |
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Auch steht an dieser Stelle die Originalmauer von damals. Diese Denkmäler der Geschichte sind historisch und müssen für die jüngere Generationen bestehen bleiben. Ich möchte mit Zeitzeugen ins Gespräch kommen und drücke die Klingel an dem gelben Haus links. |
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Mit einer freundlichen alten Dame komme ich gleich ins Gespräch. Mit Tränen in den Augen spricht die 80-jährige von dem Mauerbau 1961, dem Alltagsleben zu DDR-Zeiten und der darauf folgenden Wiedervereinigung. Sie hat alles hautnah miterlebt. |
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Quer über diese Straße verlief die Mauer. "Nie hätten wir im ganzen Dort gedacht, dass sich die Grenze nochmals öffnen könnte", erzählt sie mit zitternder Stimme. "Hier im Grenzgebiet waren, die von da oben besonders feindselig. Wir kannten uns doch alle. Trotzdem haben sie uns behandelt, wie den letzten Dreck." Sie berichtet weiter von Schüssen, die sie gehört habe und von ihren Nachbarn, die nur mit Passierschein ihre Häuser verlassen durften. Auch mussten um 23 Uhr alle Lichter auf der Straße, an der Kirche und teils in den Häuser ausgemacht werden. Die Themen sprudeln aus ihr heraus, als wären diese Ereignisse erst gestern gewesen. "Und dann", sagt sie voller Freude und einem Lachen im Gesicht, "als die Grenze geöffnet wurde, haben wir auf der Straße getanzt bis zum Umfallen. So etwas wird es nie wieder geben. Einmalig." Über ihre authentischen Ausführungen bin ich sehr bewegt. Dann sagt sie noch etwas nachdenklich: "Zwischen Ost- und Westdeutschland wird es noch sehr lange dauern, bis wir wirklich ein Deutschland sind!" |
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Dann erzählt sie mir stolz, dass ihr Mann seit der Grenzöffnung Nummernschilder sammelt, die in ihrer Garage zu einer Ausstellung geworden sind, wo alljährlich Menschen, vor allem aus dem Westen zu Besuch kommen. |
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Sie bedankt sich für das freundliche Gespräch mit mir und verabschiedet sich mit dem Satz: "Alles Gute für Sie, und bleiben sie gesund, dass ist das Wichtigste". "Gesundheit ist ein hohes Gut, aber die Beziehung zu Jesus Christus ist noch wichtiger", sage ich. "Ja, da haben Sie recht; auch wenn mich meine Kinder deswegen immer auslachen", sagt sie verschmitzt und verschwindet hinter ihrer Gartentür. Ziemlich berührt und nachdenklich verlasse ich nach über einer Stunde Hötensleben und fahre zum Stellplatz nach Schöningen. |
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Der Platz ist nicht schön, aber zweckmäßig. Zum erstmal stehe ich mit meinem Fahrzeug so richtig schief, aber für eine Nacht ist das OK. Mit dem Fahrrad besuche ich noch schnell die kleine Stadt, die sehr ausgestorben auf mich wirkt. |
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Und als ich zurückkomme, fängt es kräftig an zu regnen, und es ist kalt. Wiedermal geht ein ereignisreicher und schöner Tag zu Ende, und ich danke Gott für seine Bewahrung und sein Wort, dass in Form einer Karte über mir hängt: |
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Für morgen ist die Weiterfahrt nach Hannover vorgesehen. |